Redebeitrag CSD Freiburg, 17. Juli 2021
Im folgenden Redebeitrag werden wir über Homo-, Bi-, Ace- & Transfeindlichkeit und Mobbing in der Schule sprechen. Wenn es dir mit den Themen nicht gut geht, sprich gerne das Awarenessteam neben dem CSD-Infostand an oder komm zu deren Save Space.
Wir von FLUSS e.V., dem Verein für Bildungsarbeit zu Geschlecht und sexueller Orientierung, veranstalten Workshops in Schulen. Außerdem bieten wir Workshops für Einrichtungen an, die damit konfrontiert sind, dass sich Jugendliche bei ihnen geoutet haben. In unserer Beratung unterstützen wir auch bei eigenen Coming-out Prozessen.
Ich als trans Mann gehe beispielsweise zu einem Besuch in eine Einrichtung oder Schule, wo sich gerade eine trans* Person (oder ein junger Mensch) geoutet hat oder outen möchte. Zusammen mit den anderen Teamer*innen beantworten wir Fragen oder können auf Sorgen und Ängste eingehen. So muss die Person selber, die vermutlich gerade in einer unfassbar emotionalen Phase ihres Lebens ist, sich nicht zusätzlich damit beschäftigen, sondern kann sich ganz auf sich konzentrieren. Vielleicht könnt ihr euch in diese Situation hineinversetzen, weil ihr euch selbst mal geoutet habt oder trans* seid. Vielleicht wisst ihr auch was ihr zum Thema trans* gerne fragen würdet. Gerade für einen frisch geouteten Menschen und auch für viele trans* Menschen gilt: Es gibt Fragen oder Aussagen, die eine*n emotional belasten können. Wir von Fluss e.V. können hier ein Bindeglied sein, indem wir sachlich sagen können, welche Fragen okay sind oder welche vielleicht auch unangemessen sind. Gleichzeitig können wir den Fragesteller*innen Antworten geben und zwar ohne zusätzliche Belastung für die sich outende Person. Diese Schulbesuche erfüllen mich deswegen immer mit Freude, weil man jungen Menschen mit der eigenen Geschichte das Leben und das Outing um einiges erleichtern kann und ihnen den Weg zu ihrem „neuen“ Ich etwas ebnen kann. Unser eigenes Outing ist für uns FLUSSis in Schulbesuchen ein großer Bestandteil unserer Arbeit.
FLUSS e.V. ist ein Verein, der Bildungsarbeit und Beratung zu Geschlecht und sexueller Orientierung leistet. Zu unseren Hauptaufgaben zählen Workshops mit Jugendlichen in Freiburg und dem ländlichen Umfeld. In diesen sprechen wir mit Jugendlichen über Geschlechterrollen, über lesbische, schwule, bisexuelle, asexuelle, intergeschlechtliche, transgeschlechtliche, nonbinäre und queere Identitäten. Dadurch tragen wir einen Teil zur Prävention von sexueller und geschlechtlicher Diskriminierung bei. Um erwachsene Betreuungspersonen – z.B. Lehrer*innen und Sozialarbeiter*innen – zu sensibilisieren, bieten wir Fortbildungen für Multiplikator*innen an. Zudem begleiten wir Outings von Jugendlichen in ihrer Schule, beraten und unterstützen sie und deren Angehörige und schaffen persönliche Nähe zu queeren Personen und Sichtbarkeit. Die Corona-Pandemie hat queere Bildungsarbeit deutlich verändert, sowohl der Zugang als auch die Finanzierung wurden teilweise stark erschwert. Dies trägt weiter zur ohnehin schon verstärkten Isolation queerer Jugendlicher bei, und verhindert Aufklärung ihrer Mitschüler*innen und Betreuungspersonen. In Zeiten zunehmenden Rechtspopulismus und LSBTIAQ+-Feindlichkeit sind Präventionsprojekte und Antidiskriminierungsarbeit zu fördern. Wir betonen und unterstützen auch deshalb die folgenden Forderungen von queere Bildung e.V., die auch unsere Arbeit maßgeblich beeinflussen: Durch die notwendigen Hygieneschutzmaßnahmen konnten viele unserer Workshops und Schulbesuche nicht wie ursprünglich geplant durchgeführt werden. Online-Konzepte ließen sich gerade zu Beginn der Pandemie mit Schulen aufgrund von Datenschutzverordnungen und fehlender Digitalisierung des Unterrichts nicht umsetzen. Wir sind aktuell und wahrscheinlich auch zukünftig auf digitale Angebote unserer Arbeit angewiesen. Dafür brauchen wir Ressourcen. Pädagogische und didaktische Fachexpertise ist wichtig, um qualitativ hochwertige und ansprechende digitale Lernkonzepte und zugehörige Antidiskriminierungsmethoden zu erstellen. Ohne zusätzliche Mittel können die Projekte dieser Aufgabe nicht gerecht werden.
Für uns ein besonders wichtiger Punkt: Queere Bildungsarbeit basiert auf dem Engagement Ehrenamtlicher. Durch die Pandemie gerät das Fortbestehen ehrenamtlicher Arbeit unter Druck. Wo Teams aufgrund persönlicher Belastung, fehlender Treffen, dem Ausfall von Workshops und langen Arbeitspausen schrumpfen oder sich gar auflösen, ist das Angebot queerer Bildungsarbeit gefährdet. Es bedarf der vermehrten Einrichtung und Finanzierung von Projektkoordinierungsstellen, um den Fortbestand und Ausbau ehrenamtlicher Strukturen abzusichern.
Warum braucht es queere Bildungsarbeit noch?
Queere Bildungsarbeit beeinflusst Strukturen an ihrer Basis: in der Lebenswelt der Menschen, die zukünftig die Werte und Normen unserer Gesellschaft prägen werden. Für viele sind wir die ersten LSBTIAQ+ Personen, die sie persönlich kennenlernen. Wir sind die, die durch unsere bloße Anwesenheit zeigen, dass queere Menschen existieren. Wir bieten dadurch für viele queere Jugendliche, die oftmals ungeoutet in Klassen und peer groups sitzen eine positive Repräsentation, abseits von dem meist bekannten Narrativ aus Darstellungen in den Medien, die Queerness meist mit Anders-Sein, Leid und Trauma verknüpft. Mit dem gesellschaftspolitischen Teil unserer Bildungsarbeit begegnen wir damit Vorurteilen, Ausgrenzungsmechanismen und festgefahrenen hetero- und cisnormativen Machtverhältnissen.
Deshalb ist Queere Bildung wichtig und muss unbedingt unterstützt, gefördert und ausgeweitet werden.
Die Kampagne Act Out ging aus mit dem Satz „Wir sind schon da“ und wir FLUSSis sagen Wir BLEIBEN auch da!